Welche Rolle spielen Prominente, Influencer und andere reichweitenstarke Account bei der Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien? Diese Frage ist das zentrale Forschungsinteresse im Projekt „Plattform-übergreifende Identifikation, Überwachung und Modellierung von Verbreitungsmustern von Desinformation“ (NOTORIOUS).
Als Arbeitsgrundlage dient die Beobachtung, dass Prominente in der Regel auf mehreren digitalen Plattformen vertreten sind und somit sehr gut als Marker für die Verbreitung von Desinformation über Plattformen hinweg genutzt werden können. Durch eine wissenschaftliche Feinanalyse der von ihnen ausgehenden Verbreitungswege von Desinformation sollen die dahinterliegenden Verbreitungsmuster erforscht und systematisch analysiert werden.
Das Projekt ist eine Kooperation der drei Partner
- Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg)
- Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI)
- Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD Germany)
NOTORIOUS wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) gefördert. Ein Video auf der Seite des BMBF erläutert den Ansatz des Projekts.
Hintergrund
Die Verbreitung von Desinformation durch „Promi“-Kommunikation entwertet die Torwächter-Funktion des professionellen Journalismus innerhalb der digitalen, sozialen Medien zunehmend. Die im Rahmen des Projekts erlangten Erkenntnisse zu den dahinterliegenden Mechanismen sollen dabei helfen, die Rolle von Prominenten in Desinformationskampagnen besser zu verstehen. Dieses Verständnis kann dann wiederum genutzt werden, um wirksamere Gegenmaßnahmen im Sinne einer faktenbasierten und demokratiestützenden Informationsverbreitung zu entwickeln und umzusetzen, die für eine demokratische Gesellschaft angesichts der allgemeinen Zunahme von Desinformation immer wichtiger werden.
Desinformation wird digital auf verschiedenen Social-Media-Kanälen und Online-Plattformen geteilt. Da die bekannten sozialen Plattformen und Dienste für geteilte Inhalte vermehrt strengere Regeln einführen, werden für gezielte Desinformation zunehmend weniger bekannte oder speziell hierfür eingerichtete Nischenkanäle genutzt. Diese Verlagerung auf spezifische Plattformen ist problematisch, da in diesen zumeist kaum Widerstand gegen oder Korrektur von Desinformation stattfindet. Sie entwickeln sich so zu digitalen Rückzugsräumen beispielsweise für Extremistinnen und Extremisten oder für Anhängende von Verschwörungstheorien – Desinformation kann dort nahezu ungehindert verbreitet werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Persönlichkeiten mit hohem Bekanntheitsgrad, die in den sozialen Medien eine hohe Reichweite haben. Die Wirkung der „Promi“-Kommunikation entfaltet sich oft unscheinbar auf emotionaler und spiritueller Ebene und nicht über Fakten und Sachargumente. Wie sich Desinformation mittels Prominenten genau verbreitet und wie diese vom Publikum aufgenommen wird, ist wissenschaftlich bisher nicht ausreichend untersucht.